Eben hatte ich einen interessanten Gedanken. Oder eher das Gefühl, es war gerade ein interessanter Gedanke auf dem Weg zu mir. Ein Gefühl, wie ich es habe, kurz bevor mir ein Licht aufgeht. Tja, und dann kam mir ein anderer Gedanke dazwischen.
Und nun weiß ich gar nicht, welcher interessante Gedanke auf dem Weg zu mir war. Während ich dabei war den anderen Gedanken zu Ende denken, schlich der interessante noch im Hintergrund herum. Ich habe ihn noch aus dem Augenwinkel gesehen. Als ich mich ihm zuwenden wollte, war er verschwunden.
Der zu Ende gedachte Gedanke betraf die Organisation des Alltags. Wichtig, aber nicht spannend. Und der interessante ist einfach weg. Und hat keine Spur hinterlassen. Wie schade. Man kann bei seinen Gedanken gar nicht aufmerksam genug sein. Vor allem bei der Auswahl dessen, worüber man nachdenkt.
In diesem Zusammenhang fällt mir gerade auch eine großartige Geschichte ein, die Elizabeth Gilbert über die Dichterin Ruth Stone in ihrem sehr sehenswerten TED-Talk „Your elusive creative genius“ erzählt hat:
Da Stone im ländlichen Virigina aufwuchs, war sie oft draußen und arbeitete auf den Feldern, wenn sie fühlte und hörte, dass ein Gedicht über die Landschaft zu ihr kam. Es kam wie ein donnernder Luftzug und raste über das Land auf sie zu. Und wenn sie es kommen fühlte, denn es ließ die Erde unter ihren Füßen beben, wußte sie, dass es in diesem Moment für sie nur eine Sache zu tun gab. Und das war, wie der Blitz zum Haus zu rennen, gefolgt von dem Gedicht.
Der Deal war, dass sie so schnell wie möglich ein Stück Papier in die Hand bekam, um das Gedicht auf dem Papier einzufangen, wenn es durch sie durch rauschte. Manchmal war sie nicht schnell genug. Sie rannte und rannte, aber erreichte das Haus nicht, bevor das Gedicht durch sie durch fuhr und sie verpasste es, während das Gedicht weiter über die Landschaft raste auf der Suche nach einem anderen Dichter.
Und dann gab es die Momente, wo sie es beinah verpasst hätte. Sie rennt zum Haus, greift sich ein Stück Papier und das Gedicht geht durch sie durch. Sie greift mit der einen Hand einen Stift just in dem Moment, wo das Gedicht durch sie durch fährt und mit der anderen Hand nach dem Gedicht und fängt es ein. Sie fängt das Gedicht an seinem Ende und zieht es rückwärts in ihren Körper, während sie es aufschreibt. In diesen Fällen erschien das Gedicht perfekt und intakt auf dem Papier, nur rückwärts, vom letzten zum ersten Wort.
Was für eine großartige Beschreibung. Was für eine großartige Geschichte. Was alles möglich ist, wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass so etwas möglich ist. Wer hätte gedacht, dass manche Gedichte mit so einer Wucht unterwegs sind und dass das Aufschreiben körperliche Arbeit ist. Es sind eben nicht nur ein paar Worte.