„… Zahlreicher, mein Lucilius, sind die Dinge, die uns schrecken, als die, welche uns drücken, und öfter leiden wir in der Einbildung als in der Wirklichkeit. ….
Nur diese Lehre gebe ich Dir: sei nicht unglücklich vor der Zeit; denn das, was Dich, als Dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen, oder ist wenigstens noch nicht gekommen. Einiges quält uns mehr, als es sollte, anderes eher, als es sollte, wieder anderes, was uns überhaupt gar nicht quälen sollte. Wir vergrößern entweder unseren Schmerz, oder erdichten ihn, oder nehmen ihn voraus. …“
Das hat Seneca in den Briefen an Lucilius, hier Mittel gegen die Furcht, vor knapp 2000 Jahren geschrieben.
Das Leiden in der Einbildung, das Unglücklichsein vor der Zeit, scheint ein chronisches Problem zu sein. Das sich durch die Jahrtausende zieht und durch die Lebensgeschiche jedes Menschen. Das es weit vor Seneca gab und das es auch nach uns noch geben wird.
Aber was ist der Sinn von diesem so weitverbreiteten und festverwurzelten Verhalten? Für die Entwicklung des Menschen? Für den Fortbestand der Menschheit? Schon vor 2000 Jahren scheint diese Form von Furcht eher hinderlich gewesen zu sein. Wie steht es damit heute?
Wie die Welt wohl aussähe, wenn jeder von uns ein bisschen weniger in der Einbildung leiden würde, ein bisschen weniger vor der Zeit unglücklich sein würde?