Ich traf Annie vor einigen Jahren im Norden Neuseelands. Unsere Karawane aus exakt zwei Fahrzeugen hatte gerade angehalten, als Annie an meinem Fenster erschien und sagte, sie sei Annie, sie wolle da und dahin und der Fahrer des vorderen Fahrzeugs hätte gesagt, sie könne bei mir mitfahren.
Schon das war erstaunlich, denn der Fahrer im vorderen Fahrzeug nimmt nie Tramper mit. Genau genommen hat er das ja diesmal auch nicht. Ich bot Annie den Beifahrersitz an, den sie unter den erstaunten Blicken der Kinder und einem nicht einzuordnenden Geräusch meiner Tante, die ganz hinten saß, dann auch bezog.
Da, wo wir hinfuhren, gab es keine Unterkünfte und auch keine Möglichkeit, sich mit Lebensmitteln oder Wasser zu versorgen. Annie hatte einen großen Rucksack, aus dem ein Schafsfell hing, dabei. Ein Zelt habe sie nicht. Ihre Lebensmittel würden bis morgen reichen. Ich fragte, was genau eigentlich ihr Plan sei.
Sie suche ihre Freunde. Die seien mit einem großen Bus unterwegs. Ihr Mobiltelefon funktioniere nicht, deshalb wisse sie nicht genau, wo sie sind. Aber hier oben gibt es nicht so viele Stellen, wo sie sein könnten. Sie wisse nur, dass die Gruppe nach Cape Reinga fahren wollte.
Vor allem aber suche sie den jungen Mann, mit dem sie den Sommer verbracht habe. Sie hätten sich wegen irgendeiner Nichtigkeit getrennt und erst danach habe sie gemerkt, wie wichtig er ihr ist. Und nun müsse sie ihn finden. Und wenn sie ihn gefunden habe, dann habe sie eine Unterkunft und auch zu essen. Er sei ganz sicher auf diesem Zeltplatz, den wir ansteuern.
Was, wenn Du ihn heute Abend nicht findest? Dann verbrächte sie die Nacht im Freien und versuche morgen zu den anderen Plätzen zu kommen, um dort weiterzusuchen. Aber er sei ganz sicher auf dem Zeltplatz, den wir ansteuern.
Wir holperten die letzten Kilometer über eine ausgewaschene Schotterpiste. Annie war voller Vorfreude. Wir fuhren um den letzten Hügel. Eine letzte Kurve. Der Zeltplatz lag vor uns. … Kein Bus. Keine Freunde. Und es wurde dunkel. Es wurde kalt.
Wir konnten Annies Herz sinken sehen. Die Skeptiker unter uns blieben still. Tun konnten wir nichts. Annie bedankte sich, stieg aus dem Auto und machte sich auf, den ganzen Zeltplatz abzugehen. Vielleicht stand der Bus irgendwo versteckt. Sie solle wiederkommen, wenn sie niemanden fände, rief ich ihr hinterher. Der Bus war nicht da. Aber sie kam nicht.
Wir schlugen unser Nachtlager auf und fingen an zu kochen. Es war nun ganz dunkel. Annie kam nicht. Die Kinder und ich gingen mit Laternen los, um Annie zu suchen. Wir luden sie ein mit uns zu essen und boten ihr unser Reservezelt an. Sie schien erleichtert und nahm an. So bauten wir in der Nacht noch ein Zelt für Annie auf. Die Skeptiker sagten nichts.
Der nächste Morgen war unglaublich. Kühl, klar, kraftvoll. Annie aß mit uns Frühstück und machte sich dann auf den Weg, ihren Liebsten zu suchen. Wir blieben noch ein bisschen. Später haben wir Annie wiedergetroffen und noch ein Stück zu den großen Sanddünen mitgenommen. Der Bus, auf den sie so hoffte, stand nicht dort. Aber sie wollte hier warten. Er würde kommen.
Wir kletterten auf den Dünen herum, rutschen sie herunter und machten Touristenquatsch. Ab und an hielt ich Ausschau nach Annie. Sie saß da und wartete. Wir kletterten weiter herum, rodelten die Dünen hinunter und machten Quatsch. Annie saß da und wartete.
Und dann sah ich ihn. Den Bus. Der Bus, der dort um die Kurve kam, war der Bus auf den Annie wartete. Daran gab es keinen Zweifel. Wir hüpften auf der Düne herum und versuchten Annie zuzurufen. Sie hatte ihn auch gesehen und winkte zurück.
Die beiden waren sich schnell wieder einig. Als wir zu unseren Fahrzeugen zurückkehrten, setzte sich ihr Tross gerade in Bewegung. Wir winkten und lachten und nahmen Abschied. Annie strahlte. Sie hatte ihren Liebsten und ihre Freunde gefunden. Annie war glücklich.
Annie, vielen Dank, Du hast unser Leben reicher gemacht, mit Deinem großen Vertrauen in die Liebe und das Leben.